Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind gleichermassen von zunehmendem Stress, besonders in arbeitsplatz-, schul- und ausbildungsbezogenen Situationen, betroffen. Das sagen nicht nur zahlreiche Studien. Die WHO prognostiziert, dass bis 2030 Depressionen und Angststörungen weltweit die häufigsten Ursachen für Tod und chronische Erkrankung sein werden. Mit der Coronapandemie hat sich die Thematik weiter verschärft. Und sie ist in den öffentlichen Fokus gerückt. Am 28. März 2022 widmete sich das Luzerner Forum den Fragen nach Fakten, Folgen und Prävention im Zusammenhang mit Burnout im Kindes- und Erwachsenenalter. Der Anlass fand bei der Luzerner Psychiatrie (LUPS) in St. Urban statt. Die Kurzreferate hielten Dr. med. Kerstin Gabriel Felleiter, Chefärztin Ambulante Dienste, und Dr. med. Oliver Bilke-Hentsch, Chefarzt Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Pünktlich um 17.30 Uhr begrüsste Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler als Präsidentin des Luzerner Forums die rund 50 anwesenden Gäste und bedankte sich bei der Luzerner Psychiatrie für das Gastrecht im ehrwürdigen Festsaal des Klosters St. Urban. Dem Netzwerk-Apéro ging eine Führung durch die Räumlichkeiten der Luzerner Psychiatrie voraus. Mit den Worten «Vielen Dank auch für die spannenden Einblicke in die Neubauten und Wohnräume der Patientinnen und Patienten» leitete Ida Glanzmann-Hunkeler zur Begrüssung durch Peter Schwegler, CEO der Luzerner Psychiatrie, über.
Auch Peter Schwegler, CEO/Direktor LUPS, begrüsste die Anwesenden herzlich an diesem Ort der Symbiose aus Gesundheit, Kunst und Kultur. Er zeigte sich erfreut über die hohe Akzeptanz der Luzerner Psychiatrie in der Gesellschaft, aber auch in Wirtschaft und Politik. «Wir haben uns sehr gefreut, dass der Kantonsrat den Planungsbericht über die psychiatrische Versorgung mit 118:0 einstimmig verabschiedet hat. Wir erachten dies auch als ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber dem gesamten Netzwerk Psychiatrie. Damit können wir die psychiatrische Versorgung bedarfsorientiert weiterentwickeln.» Peter Schwegler erwähnte in seinem Eingangsvotum den Zwang von Krieg und Pandemie, dem wir alle ausgesetzt sind. Das gesellschaftliche Ziel müsse sein, die Resilienz der gesamten Bevölkerung zu erhöhen. «Um diese Hilfestellung vernetzt zu betrachten, ist das Luzerner Forum eine sehr geeignete Plattform.»
Zum Einstieg in die Thematik «Burnout im Kindes- und Erwachsenenalter» lieferte Dr. med. Kerstin Gabriel Felleiter, Chefärztin Ambulante Dienste und Mitglied der Geschäftsleitung der Luzerner Psychiatrie, einige Fakten und ordnete diese ein. Depressionen und Angststörungen werden gemäss der WHO bis 2030 weltweit die häufigsten Ursachen für Tod und chronische Erkrankung sein. Das bedeutet ein Vorrücken von Platz 4 auf Platz 1. Ebenfalls verwies sie auf eine Studie, die im Auftrag der Swica durchgeführt wurde. Von rund 2'000 untersuchten Taggelddossiers liessen ungefähr 1'350 auf psychische Gründe für die Absenz am Arbeitsplatz schliessen. Es wird klar, dass neben den individuellen Schicksalen der Erkrankten auch sozioökonomische Folgen auftreten. Somit liegt es im Interesse von uns allen, Ursachen von Überlastungsdepressionen präventiv zu bekämpfen und so das Risiko einer psychischen Erkrankung zu reduzieren. Zu den Gründen für die Zunahme von Burnout hält Kerstin Gabriel Felleiter fest: «Viele Arbeitnehmende sind heute hohem digitalem Stress ausgesetzt. Das erhöht das Risiko, psychisch zu erkranken.»
Dr. med. Oliver Bilke-Hentsch ist Chefarzt Kinder- und Jugendpsychiatrie und Mitglied der Geschäftsleitung der Luzerner Psychiatrie. In seinem Referat fokussierte er auf stressbedingte psychische Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen. Er ordnete die bereits vor der Coronapandemie vorherrschende Situation folgendermassen ein: «Kinder und Jugendliche müssen seit einigen Jahren in zwei Welten bestehen. In einer digitalen Online- und einer realen Offline-Welt. Das ist sehr herausfordernd.» Massive Überlastung könne die Folge davon sein. Im digitalen Medienraum sind Kinder und Jugendliche erheblichen Risiken (Cyberbullying, Stalking, Belästigung etc.) ausgesetzt. Greifen diese Bedrohungen in das analoge Privatleben über oder werden private Informationen missbraucht, ist das eine grosse Gefahr für junge Menschen. Daraus entstehende psychischen Probleme wurden dann ab 2020 durch die Coronapandemie zusätzlich verstärkt. «Mit der Coronapandemie haben sich Risikofaktoren, wie beispielsweise die soziale Isolation, verstärkt und Schutzfaktoren, wie zum Beispiel Selbstwirksamkeit, fielen weg oder wurden geschwächt.» Oliver Bilke-Hentsch stellte klar, dass die Coronapandemie nicht der einzige Störfaktor für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sei. Vielmehr sei Corona in vielen Fällen einfach der letzte Impuls, der zu einer psychischen Störung führt. So haben ab 2020 Störungsbilder wie Depressionen, Selbstverletzungen und Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen signifikant zugenommen.
In ihrem zweiten Kurzvortrag ging Dr. med. Kerstin Gabriel Felleiter auf Möglichkeiten der Prävention von Burnout ein. Im Wesentlichen lassen sich die Massnahmen gegen Burnout in drei Kategorien einteilen. 1. Prävention von Burnout, 2. Prävention von Burnout-Folgen und 3. Therapien. Kerstin Gabriel Felleiter hielt fest, dass Interventionsmöglichkeiten auf individueller, zwischenmenschlicher, institutioneller, gesellschaftlicher und globaler Ebene vorhanden sind. Sie plädierte auch dafür, dass Krankenversicherungen ihre präventiven betrieblichen Angebote verstärken sollten. Auch Hausärzte und Psychiater müssten für die Thematik sensibilisiert werden. Und schliesslich fordert Kerstin Gabriel Felleiter die Unternehmungen auf, proaktiv präventive Massnahmen zur Vorbeugung von Burnout zu implementieren. Insbesondere sieht sie folgende Möglichkeiten, das Risiko für arbeitsplatzbezogenen psychische Erkrankungen zu minimieren: Thema enttabuisieren, Employer Assistance Programme schaffen, positive Atmosphäre fördern, Druck reduzieren, Führungskräfte und HR-Verantwortliche schulen und sensibilisieren. Abschliessend war es Kerstin Gabriel Felleiter ein besonderes Anliegen, das Konzept «SERO Suizidprävention Einheitlich Regional Organisiert» vorzustellen. Ein wichtiges Instrument, das von der LUPS initiiert wurde, mit dem Ziel, möglichst viele Suizidfälle zu verhindern. SERO beinhaltet diverse Kurse für Führungskräfte und Anleitungen zu Prävention, Intervention, Früherkennung und Erster Hilfe bei psychischen Erkrankungen. Die hohen gesellschaftlichen Kosten machen, und da sind sich Fachleute einig, rasches Handeln notwendig. Die gesunkene Resilienz der Gesellschaft gegenüber psychischen Erkrankungen kann nicht in kurzer Zeit wiederaufgebaut werden. Deshalb müssen wir heute damit starten!
Nach den beiden interessanten Referaten und eindrücklichen Einblicken in die Thematik «Burnout im Kindes- und Erwachsenenalter? Fakten – Folgen – Prävention» ergriff Hannes Blatter, Geschäftsführer des Luzerner Forums, das Wort und moderierte eine kurze Fragerunde. Dabei erhielten die Anwesenden vertiefte Einblicke in die Behandlung von Burnout-Patient*innen in der Luzerner Psychiatrie.
Anschliessend an den Anlass offerierte die Luzerner Psychiatrie einen reichhaltigen Apéro. Dafür herzlichen Dank. Das ungezwungene Netzwerken bot den anwesenden Gästen die Gelegenheit, sich zur besprochenen Thematik auszutauschen und vielleicht schon erste Lehren aus dem Gehörten zu ziehen.
Hier finden Sie Eindrücke dieser Veranstaltung.
Hier finden Sie das Video der Veranstaltung.
Inhalte
Die Präsentation zu den Vorträgen (PDF)
17.30 Uhr: im Festsaal Kloster St. Urban
Begrüssung durch Ida Glanzmann-Hunkeler, Nationalrätin und Präsidentin des Luzerner Forums und Begrüssung durch Peter Schwegler, Direktor/CEO LUPS
17.35 Uhr
Burnout im Kindesalter? Zahlen, Fakten, Folgen. Dr. med. Oliver Bilke-Hentsch, Chefarzt Kinder- und Jugendpsychiatrie, Mitglied der Geschäftsleitung
Burnout-Prävention – was nützt, was schadet? Und wenn das Burnout eintritt – was hilft? SERO (Suizidprävention Einheitlich Regional Organisiert) Projekt der Luzerner Psychiatrie – Kurzer Einblick Dr. med. Kerstin Gabriel Felleiter, Chefärztin Ambulante Dienste, Mitglied der Geschäftsleitung
Festsaal Kloster St. Urban
Schafmattstrasse 1
4915 St. Urban
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